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allgemeine Kategorie => Allgemeine Diskussionen => Thema von: Sebastian am 27. Mai 2025, 11:44:12

Titel: Verlernen wir das Denken?
Beitrag von: Sebastian am 27. Mai 2025, 11:44:12

Hallo liebe Gesellschaft,

Ich bin heute Morgen auf Kuketz seinen Blogeintrag KI lässt uns Menschen das Denken verlernen – und wir halten es für Fortschritt (https://www.kuketz-blog.de/ki-laesst-uns-menschen-das-denken-verlernen-und-wir-halten-es-fuer-fortschritt/) gestoßen, den ich sehr interessant fand, da ich dies persönlich auch so empfinde und in meinem Umfeld beobachten kann.

Besonders diese Auszüge aus dem Post finde ich hervorhebenswert:
Zitat:
Immer mehr Menschen – und vor allem junge Menschen – geben das Denken ab, bevor sie es überhaupt einüben konnten. Fragen, die früher mit einem Blick in ein Buch, durch Ausprobieren oder mit gesundem Menschenverstand gelöst wurden, werden heute reflexartig an eine KI delegiert. Nicht weil es nötig ist – sondern weil es bequemer ist.

Zitat:
Wir stehen am Beginn einer kulturellen Verschiebung: Denken wird nicht mehr als selbstverständliche Tätigkeit betrachtet, sondern als Option – eine, die man sich zunehmend erspart. Und genau darin liegt die Gefahr. Denn wer aufhört zu denken, verlernt nicht nur das Problemlösen, sondern auch das Hinterfragen, das Abwägen, das Erinnern – kurz: das Menschsein in seiner geistigen Tiefe.

Zitat:
Wir delegieren nicht mehr nur Arbeit, sondern auch Denkprozesse. Nicht aus Notwendigkeit, sondern aus Bequemlichkeit. Die Folge ist keine plötzliche intellektuelle Verarmung, sondern eine schleichende Entwöhnung vom eigenen Urteil. Die Fähigkeit, sich sprachlich, gedanklich und emotional selbst zu orientieren, wird zunehmend durch automatisierte Vorschläge ersetzt – und dadurch kaum noch geübt, geschweige denn weitergegeben.

Zitat:
Wenn selbst einfache Aufgaben wie das Waschen eines Kleidungsstücks an eine KI delegiert werden, besteht die Gefahr, dass grundlegende Alltagskompetenzen verloren gehen. Die Fähigkeit, Probleme eigenständig zu analysieren und zu lösen, wird durch die ständige Verfügbarkeit von KI-Lösungen untergraben.

Zitat:
Doch echte Bildung entsteht nicht durch reibungslose Abläufe. Sie lebt vom Ringen mit Stoff, vom Aushalten von Unsicherheit, vom Verstehen statt vom bloßen Verwerten. Sie ist nicht die perfekte Antwort im ersten Anlauf, sondern der Weg dorthin – voller Umwege, Sackgassen und Wiederholungen.

Zitat:
Bequemlichkeit ersetzt dabei zunehmend den Willen zur Auseinandersetzung. Und wer nie gelernt hat, sich mit einem Thema wirklich zu beschäftigen, wird auch nicht erkennen, was ihm fehlt. Die Automatisierung des Denkens erzeugt nicht Leere, sondern ein stilles Desinteresse an Tiefe. Und genau das ist das Gegenteil von Bildung.

Zitat:
Die Google-Suche zeigt dir Links. Du musst auswählen, filtern, lesen, vergleichen, bewerten. Sie vermittelt Wissen – sie denkt nicht für dich. Eine KI wie ChatGPT oder Gemini hingegen formuliert das Ergebnis gleich mit. Sie ersetzt das Nachdenken über Quellen durch eine glatte, fertige Antwort. Du bekommst das Resultat – nicht den Weg dorthin. Der kognitive Prozess wird damit nicht nur unterstützt, sondern umgangen.


Und leider konnte ich auch hier im Forum diese Entwicklung von Bequemlichkeit, mitverfolgen. Es wird sehr häufig nach einer fertigen Lösung gefragt den weg zur Lösung möchten sich nur wenige antun. Viel zu umständlich, kostet zu viel Zeit, ich habe auch noch was anderes zu erledigen etc... bekommt man dann zu hören.

Schade ich bin wirklich gespannt wie unsere Gesellschaft in 50 Jahren aussieht. Ich "hoffe" ich bekomme das noch mit :)

LG
Sebastian

Titel: Re:Verlernen wir das Denken?
Beitrag von: Andreas am 27. Mai 2025, 12:28:47

Vielen Dank Sebastian für diesen wirklich ausgezeichneten Beitrag.

Ich werde das in 50 Jahren nicht mehr erleben und - ich bin erschrocken, dass ich mich dabei erwische das zu schreiben - ich bin froh, dass ich es nicht mehr erlebe. Es ist der Niedergang von allem, was mich in meinem ganzen Leben angetrieben hat. Auch wenn ich auf die folgende Aussage vehementen Widerspruch bekommen würde: es ist für mich ein zurück-in-die-Steinzeit, aber mit modernen Mitteln. Der Homo Sapiens ist zum Aussterben verdammt. Er wird durch den Homo Consumens ersetzt. Nein: das will ich nicht in seiner Vollendung erleben und ich mache da auch nicht mit.

Mit Erschrecken sehe ich auch, dass die, die gerade den Prozess des Dumm-werdens durchmachen, ihre letzte Energie dafür aufbringen, ihre Entscheidung zu verteidigen, statt sie zu hinterfragen. Damit ist die letzte innere Schranke, die einen vor der Verdummung bewahren kann, eingerissen.

LG
Andreas

Titel: Re:Verlernen wir das Denken?
Beitrag von: Sebastian am 27. Mai 2025, 14:01:27

Nicht dafür Andreas,

Auch für mich wird es mit den 50 Jahren knapp werden. Dann wäre ich knapp an die 90 :o , aber miterleben als Beobachter würde ich es doch gerne. Um mich hoffentlich vom Gegenteil überzeugen zu können. Denn ich möchte das einfach nicht wahrhaben, dass es immer weiter in Richtung Bequemlichkeit geht und dafür so große Opfer von der Gesellschaft erbracht werden. Ich möchte mich einfach davon überzeugen, dass der Mensch doch noch die Kurve bekommt.

Ansonsten wer weiß, vielleicht lasse ich mich sonst mit 90 von einem KI-Bot pflegen und unterhalte mich mit diesem, weil dieser mittlerweile kompetenter als wir geworden ist. ;D

Ich selbst sehe LLMs für mich nur als eine Option bzw. als unterstütztes Werkzeug, denn ich nicht die komplette Denkarbeit machen lasse. Aber auch ich habe bei mir beobachtet das ich mehr und mehr meine Suchanfragen in Form von Fragen stelle, einfach aus dem Grund um mich dem LLM besser verständlicher zu machen. Wichtig ist hier das ich hier der aktive Part bin der das Gespräch in eine Richtung lenkt damit ich antworten bekomme, die ich benötige.

Leider ist das Formulieren einer Frage an ein LLM notwendig, damit dieses besser versteht, was man von ihm möchte. Weil diese aus dem Traningsatz von Mensch trainiert wurde, die meistens keinen technischen Hintergrund haben. Von daher muss ich mich einer KI quasi immer verstellen, damit diese mich vernünftig versteht. Ich bin noch aus einer Zeit, wo es nur reine Suchmaschinen gab. Die lediglich Stichpunkte in einer Datenbank abgeglichen haben, daher fühlt es sich für mich immer noch natürlicher an, wenn ich in einem Suchprompt nur Stichwörter und keine ganzen Sätze verwende. Aber genau damit hat das LLM ein Problem, das besser mit ganzen Sätzen funktioniert. Also formuliere ich meistens mehrere menschliche Fragen, um das Gespräch mit dem LLM zu führen.

Dabei übernehme ich nie einfach die Ausgabe eines LLMs, sondern prüfe im Nachgang auch noch mal die Quellen und lese mich etwas tiefer ein. Oder fahre eine Kombination, sodass ich das Gespräch mit der LLM weiter führe, mit Fragen, die sich für mich aus den Quellen ergeben haben. Da ich neugierig bin, forscht man ja weiter und stellt weitere Fragen. Das muss ich zugeben, klappt mit einem LLM ganz gut, quasi als unterstütztes Lernwerkzeug, das den Fokus auf wichtige Stellen aus unterschiedlichen Quellen lenken kann. Aber leider hört es hier ja bei vielen Menschen auf, dass diese nicht noch mal nachlesen oder sich tiefer in etwas einarbeiten. Sondern genau hier beim Ergebnis der Antwort des LLMs aufhören und das einfach übernehmen.

Für mich bleibt die Entwicklung, wie die breite Masse der Menschen mit LLMs umgehen wird weiter spannend, ob wir die Kurve noch hinbekommen. Bedauerlicherweise sehe ich es auch so, dass eigentlich unsere Schulen viel mehr in dieser Richtung lehren und aufklären müssten. Da häufig die Eltern auch nicht den richtigen Umgang damit gelernt haben und sich damit nicht beschäftigen wollen. Und auch in den meisten deutschen Schulen sind die Lehrkräfte diesen modernen Anforderungen nicht gewachsen. Wir haben hier in Deutschland zig Baustellen und Versäumnisse, die uns nun einholen. Ich bleibe auf die Zukunft gespannt. :)

Edit:
Zitat von: Andreas am 27. Mai 2025, 12:28:47
Mit Erschrecken sehe ich auch, dass die, die gerade den Prozess des Dumm-werdens durchmachen, ihre letzte Energie dafür aufbringen, ihre Entscheidung zu verteidigen, statt sie zu hinterfragen. Damit ist die letzte innere Schranke, die einen vor der Verdummung bewahren kann, eingerissen.


Was soll ich dazu noch sagen... es bleibt spannend :)

Solange ich nicht alles mitmachen muss und noch meinen eigenen Kopf verwenden darf alles gut ;)

LG
Sebastian


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